Mittwoch, 23. Dezember 2015

Pitztalklassiker

Nach dem traditionellen Skiausflug der Bergwacht am letzten Wochenende vor Weihnachten konnte ich irgendwie nicht genug bekommen. Das Wetter war gut, die Lawinenverhältnisse auch (ok, lag wohl daran dass es keinen Schnee gab...). Wie sich der Zufall ergab waren Lukas und Fabian gerade im Pitztal zum Skitouren gehen unterwegs. Kurzentschlossen packte ich also meinen Rucksack und fuhr von Ehrwald mit dem Bus nach Mittelberg ins hintere Pitztal. Dort kam ich im Dunkeln an und legte mich auch ziemlich bald schon neben dem großen Liftparkplatz in den Schlafsack. Da wird man ein bisschen schief angeschaut, aber geht schon.
Am nächsten Morgen treffe ich mich also mit den beiden und wir fahren mit der ersten Bahn zum Mittelbergjoch. Komplett allein auf dem Taschachferner machen wir uns auf den Weg zur Wildspitze. Für mich ist das ein besonderer Berg, hier habe ich meine erste Skitour gemacht, meine erste Nordwand geklettert und außerdem meine bisher schwierigste Solobegehung gemacht. Heute allerdings gehen wir nur gemütlich den landschaftlich eindrucksvollen Normalweg hinauf und kommen zügig am Skidepot an. Uns empfängt starker Föhnsturm. Fabian hat zum ersten Mal Steigeisen unter den Füßen, also gehen wir den Gipfelgrat nach einer kurzen Einweisung gemütlich an.

An der kurzen, aber ein bisschen heiklen Schlüsselstelle


Trotz der erschwerten Bedingungen kommt Fabian gut zurecht steigt sicher über die etwas kniffelige Schlüsselstelle. Uns umgibt mittlerweile eine dramatische Föhnwetterlage. Das ist zwar nicht schlimm fürs Klettern, aber es sorgt dafür dass ich aus dem Fotografieren gar nicht mehr herauskomme. Bei meinen letzten drei Gipfelerfolgen an diesem Berg hatte ich stets Kaiserwetter mit entsprechend bombastischer Aussicht, doch zum Fotografieren machen Sturm und Wolken eben ein bisschen mehr her...

Der Verbindungsgrat zum Nordgipfel wird bei dieser Wolkenstimmung mal eben als hochalpiner Laufsteg missbraucht


Am Gipfel machen wir deshalb ein ausgedehntes Fotoshooting und mit dem Sucher vor den Augen kommandiere ich die beiden eifrig auf dem fotogenen Verbindungsgrat zwischen Nord- und Südgipfel hin und her. Natürlich vergesse ich auch nicht mit dem Pickelstil den vierten Strich zu meiner Liste in den Gipfelfelsen zu ritzen.

Die Vorteile des Snowboards: Lukas zieht auch im windgepressten Harsch schöne Schwünge...

Die Nachteile des Snowboard: Lukas schiebt über ein Flachstück, dahinter die Wildspitze


Irgendwann machen wir uns an die Abfahrt, die wir drei recht speziell angehen. Fabian ist mit klassischen Tourenski und abfahrtsorientierten Schuhen unterwegs, Lukas setzt auf ein Splitboard während ich wieder mal mit kurzen Zustiegsski und Bergschuhen durch die Gegend taumle. Denn ich habe noch ein bisschen was vor: Unter dem Mittelbergjoch verabschiede ich mich von den beiden, die über das Skigebiet ins Tal fahren. Ich taste mich dagegen am Rand des leider viel zu spaltigen Taschachferners Richtung Taschachhaus vor, da ich am nächsten Tag durch die imposante Nordwand der Taschachwand klettern will.
Eigentlich hatte ich zum Taschachhaus großzügig zwei Stunden einkalkuliert, doch ich muss bald einsehen dass das wohl nichts wird. Die schwache Schneeauflage zwingt mich schnell auf die Moräne, auf der ich mich zu Fuß durch den teilweise tiefen Schnee wühlen muss. Nach einem kurzen Klettersteig folgt eine Querung der untersten Gletscherzunge, ein Gegenanstieg und die steile Querung der Moränenflanken am Pitztaler Urkund. Ski, Steigeisen und wieder mal zu Fuß. Der ständige Wechsel fordert seinen Tribut und so stehe ich erst vier Stunden später nach Einbruch der Dunkelheit am Taschachhaus, wo ich es mir im Winterraum gemütlich mache.
Immerhin habe ich die längste Nacht des Jahres vor mir und somit genug Zeit zur Erholung.

Beim langwierigen Abstieg zum Taschachhaus

Die Taschachwand. 600 Meter hoch, bis zu 60° steil und bedeckt mit grundlosem Pulverschnee

Am nächsten Morgen dann das selbe Spiel. Statt einer großzügigen Stunde brauche ich zum Einstieg der Wand zweieinhalb Stunden. Gut, hätte ich mir denken können. Ich habe ja auch keinen Zeitdruck, die tageszeitliche Erwärmung spielt im Dezember fast keine Rolle.
Ich packe also die Ski an den Rucksack und steige mit Steigeisen und Eisgeräten die sechshundert Meter hohe Taschachwand hinauf. Beziehungsweise wühle. Denn der gute Trittfirn hört nach gerade mal einhundert Höhenmetern schon wieder auf und weicht grundlosem Pulverschnee der das Klettern zur Hölle macht. Irgendwann komme ich aber auch so an der Headwall an, wo die Gletscherschmelze in den letzten Jahren aus der leichten Firnflanke ein 60° steiles Eisschild gezaubert hat. Ich schleiche mich am rechten Wandteil durch eine Eisrinne, die immerhin immer wieder gute Ausruhmöglichkeiten bietet, trotzdem brennen mir schnell die Waden.
Umso lauter fällt also der Gipfeljauchzer aus, als ich endlich auf dem Taschachhochjoch am Ende der Wand die Sonne sehe. Die Schwierigkeiten liegen größtenteils hinter mir, doch oben bin ich noch nicht. Erst muss ich noch den langen und tief verschneiten Verbindungsgrat zur Petersenspitze überwinden, was mich nochmal eine Stunde kostet.

Gipfelaussicht von der Petersenspitze zum Vorderen Brochkogel und zum Similaun

Auf der Petersenspitze folgt ein zweiter Gipfelschrei, bevor ich zügig die Steigeisen gegen die Zustiegsski tausche und mit einer Schussfahrt hinüber zum Wildspitze-Normalweg zische. Nach dem Gegenanstieg zum Mittelbergjoch folgt noch die lange, eigentlich gesperrte Talabfahrt nach Mittelberg. Gesperrt deswegen, weil dieser Winter seinem Namen leider kaum gerecht wird. Auf den letzten Schneeresten komme am Liftparkplatz an. Hier treffe wieder Fabian und Lukas, mit denen ich nach einem sehr langen Wochenende nach Hause fahre...

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